Freitag, 6. Januar 2017

Die Germanen II

                      Die Germanen II
                      Woher kamen die Ur-Germanen?
Alles, was bisher berichtet wurde, schließt man aus den Erkenntnissen der
Sprachforscher und Archäologen; nur wenig davon ist gewiß.
Nun aber beginnt wissenschaftlich eine neue Zeit: Was Fortan geschah, läßt
Sich durch Ausgrabungen, Funde und durch zeitgenössische Schriften beweisen. 
An die Stelle der Vermutung tritt das exakte historische Wissen.
Um 1700 v. Chr. weicht das Hünengrab dem steingefaßten Einzelgrab. In den
Gräbern findet man megalithische Tonwaren und indogermanische Jagdtrophäen; 
neben alteingesessenen Bauern liegen nun indogermanische Eindringlinge. 
Aus der Vermischung entstand ein neues Volk- die Ur-Germanen.
Zwar zwangen die Schnurkeramiker den Megalithbauern ihre Sprache auf, 
Diese beeinflußten aber auch die Sprechweise der Eindringlinge. Innerhalb
Mehrerer Jahrhunderte wurde das Lautsystem der Ur-Indogermanen umgestaltet. 
Die erste germanische Lautverschiebung ließt eine germanische Ursprache 
entstehen: Viele indogermanische Konsonanten änderten ihren Klang, der Satzbau 
änderte sich, Akzente wurden anders gesetzt, die bis dahin Freie Wortbetonung lag 
nun auf den Anfangssilben.

                    Was war der Vanenkampf?
Auch in der Religion folgte die Verschmelzung. Die Mythen erzählen vom Vanenkampf: 
Die von den Hünengrableuten verehrten Vanen setzten sich Gegen die Asen, das 
Göttergeschlecht der Indogermanen, zur Wehr.
Nach langem Streit endet der Kampf Unentschieden: Die Vanen werden Schutzgeister 
von Feld und Flur und finden schließlich Aufnahme in Asgard, Dem Wohnort der 
Asen - ein Recht getreues Abbild dessen, was auf Erden Zwischen Eindringlingen und 
Ureinwohnern geschah.
So vermischte sich im Laufe vieler Jahrhunderte ein bodenständiges Bauernvolk mit 
einem Stamm nomadischer Hirtenkrieger - eine Mischung,Wie sie sich gegensätzlicher 
kaum denken läßt.
Auf diesem Kontrast beruht wohl auch der germanische Volkscharakter mit all Seinen 
Widersprüchen: Ackerbauer und Soldat, Praktiker und Träumer - ein Innerer Gegensatz, 
der die Geschichte der nächsten Jahrhunderte in Europa Immer wieder beeinflussen sollte.

                                      Wie die Germanen sich ausbreiteten 
Wohin breiteten sich die Germanen aus?
Weit über 1000 Jahre lang bleibt es nun in der Geschichte um die Germanen Still. Die 
großen geschichtlichen Taten geschehen im Mittelmeerraum. 
Aber das Volk der Germanen ist nicht verschwunden. Im Lauf dieser Zeit dehnen sie ihren 
Siedlungs- und Herrschaftsraum langsam aus. 
Von ihrer Urheimat in Südschweden, Dänemark, Schleswig-Holstein und Ostniedersachsen 
breiten sie sich nach Osten, Süden und Westen aus. 
Etwa 1000 Jahre vor der Zeitwende Überschreiten sie die Weichsel, sie stoßen Über die 
Elbe zu Weser und Rhein vor, sie besiedeln Mecklenburg, Harz und Havelland. 
Etwa 800 v. Chr. folgt in Mitteleuropa auf die Bronze - die Eisenzeit. Das Klima ändert sich, 
es wird, kälter, feuchter, unfreundlicher, die Äcker geben nicht mehr genug Nahrung her - 
und wieder geraten die Germanen in Bewegung. 
Um 400 v. Chr. Überfluten sie ganz Niedersachsen, vom Ostufer des Rheins schieben sie 
die Kelten, wie sie eine Mischung alteingesessener Megalithbauern mit Indogermanen, 
vor sich her nach Westen. Sie stoßen bis in Das heutige Belgien und an die Mosel vor, 
sie besiedeln Schlesien und Marschieren über diebWeichsel weiter nach Südosten.
Etwa 300 v. Chr. Bewohnen sie ganz Nord- und Mitteldeutschland sowie weite
Küstenstriche an Nord- und Ostsee.
Aus den Funden der Archäologen lassen sich allmählich Gruppen und Stämme 
Erkennen. Von nun an unterscheiden die Historiker zwischen Nord-, Ost- und 
Westgermanen. Aus den Nordgermanen entsteht unter anderen das Volk der Wikinger, 
Später die skandinavischen Völker (mit Ausnahme der Finnen) sowie Die Bewohner 
der Inseln Island und Färöer.
Zu den Ostgermanen rechnet man die Gepieden und Heruler, die Bastarnen Und die 
Skiren, die Goten, die Burgunder und die Wandalen.

                       Welche Stämme gehörten zu den Germanen?
Die Westengermaen sind die Gruppe mit den meisten Einzelstämmen. Zu ihnen Gehören 
die Kimbern und Teutonen, die in der Weltgeschichte als erste Germanen von sich reden 
machen sollten (siehe Seite 31). Westgermanen sind Auch die Angeln und die Sachsen, 
die Vorfahren der Späteren Engländer, weiter Die Friesen, die Cherusker, die Sugambrer, 
die Bataver, die Usipeter (Betonung Auf der zweiten Silbe), die Tenkterer, die Ubier, die 
Brukterer, die Chatten und die Völkergruppe der Sweben, zu denen die Semnonen, die 
Hermunduren, die Markomannen, die Quaden und die Wangionen gehörten.
Daneben gibt es noch viele weitere westgermanische Stämme ( siehe Karte ).

Sie alle hatten etwa die gleiche Kultur und Lebensweise. In alten Gesängen Wurde viel 
von der gemeinsamen Heimat und Herkunft berichtet. Dennoch Waren die Germanen 
sich dieser Verwandtschaft nicht direkt bewußt.
Und das Wort ,,Germanen" war den meisten von ihnen völlig unbekannt. Auch der übrigen 
antiken Welt war diese Bezeichnung zunächst fremd. Man hatte sich allgemein dem 
griechischen Sprachgebrauch angeschlossen.
Nach dem alle Völker im Westen Europas als Kelten, im Norden und Osten Als Skythen, 
bezeichnet wurden. Die Mischvölker an den Grenzen zwischen Beiden Siedlungsgebieten 
wurden kurzweg als keltoskythisch bezeichnet.

                       Wer Sprach als erster von Germanen?
Der erste, der den Namen ,,Germanen" benutzte, war der griechische Philosoph 
Poseidonius aus Apameia (135 bis 51v. Chr.). ,,Die Germanen", schrieb er in einem seiner 
52 Geschichtsbücher, ,,nehmen mittags gebraten Fleischstücke zu sich, dazu trinken sie 
Milch und ungemischten Wein." 20 Jahre später griff Julius Caesar diesen Namen in 
seinem Buch "De bellob Gallico" (Vom gallischen Krieg) auf. Die keltischen Belger, schrieb 
er, bewaffneten sich im Norden Galliens zum Aufstand gegen die Römer; ihre gefährlichen 
Nachbarn, die jenseits des Rheins wohnen, die Germanen, schlossen sich ihnen an. 
Mit den ,, gefährlichen Nachbaren" meinte der große Römer allerdings nicht die 
Gesamtheit der Stämme, die wir heute unter dem Namen Germanen zusammenfassen. 
Er meinte nur einen kleinen Teilstamm, der sich tatsächlich ,,Germanen" nannte, geradeso, 
wie die Ubier sich Ubier und die Markomannen  Sich Markomannen nannten. Aber fortan 
wurde der Name Germanen für alle ,,Barbaren" jenseits des Rheins üblich und populär. 
,,Barbaren" nannten die Römer alle Menschen, die außerhalb des griechisch- römischen 
Kulturkreises lebten.
Erst 150 Jahre später erklärt der große römische Geschichtsschreiber Tacitus in seinem 
Werk ,,Germania" : ,,Die nämlich, die zuerst den Rhein überschritten Und die Gallier 
vertrieben, die jetzigen Tungerer, wurden damals Germanen genannte. So ist der Name 
eines einzelnen Stammes, nicht des ganzen Volkes, Allmählich zur Geltung gekommen.
Der Name, Germanen entsprang also einem historischen Irrtum. Doch die ganze damalige 
Welt nannte die furchtbaren blonden Riesen im  Waldreichen Nord- und Mitteleuropa 
weiterhin ,,Germanen" und betrachtete die Vielfalt der Stämme als ein einziges Volk.
Nur den etwa zwei Millionen Germanen selber blieb dieses Denken fremd.  
Die Semnonen nannten sich weiter Semnonen und verstanden sich nur als Semnonen, 
die Cherusker als Cherusker, die Bataver als Bataver.
Jeder Stamm fühlte sich als ein Volk mit einem eigenen Vaterland und kämpfte Gegen 
den Nachbarstamm, manchmal fast bis zur totalen Ausrottung des Feindes.

Ein Was ist Was Buch
Von Hans Reichardt
Jllustrationen von Anne-Lies Jhme und Gerd Werner


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