Freitag, 12. August 2016

Die Neue Weltordnung Afghanistan II

Der Krieg in Afghanistan war der erste und besonders aufschlußreiche Fall
eines Regionalkonflikts, über den eine Verständigung zwischen den 
Supermächten erzielt wurde. Im April 1988 wurde in Genf von den 
Regierungen Afghanistan, Pakistans, der Sowjetunion und den USA eine
Reihe von Verträgen und Vereinbarungen unterzeichnet, die den Konflikt
einer Lösung näherbringen sollte.

Diese vier Abkommen waren keine Friedensverträge, sie regelten nur einige
internationale Aspekte des Krieges. Insbesondere sahen sie den völligen
Abzug der sowjetischen Truppen vor. Die Vereinbarungen lassen sich in drei
Punkten zusammenfassen:
1. wechselseitige Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten Afghanistan 
und Pakistans ( der Hohen Vertragschließenden Parteien ).
Dies schloß das Verbot einer Unterstützung bewaffneter Gruppen oder 
Aufständischer ( also der Mudjahedin ) ein, sowie das Verbot jegliche 
Handlungen zu unternehmen oder zu dulden, die als Einmischung und
Intervention angesehen werden könnten;
2. wechselseitige Verpflichtung, eine Repartriierung der Afghanischen Flüchtlinge 
in ihr Heimatland auf freiwilliger Basis im Rahmen ihrer
Möglichkeiten nach Kräften zu unterstützen;
3. Verpflichtung der Sowjetunion, ihre Truppen innerhalb von neun Monaten
(beginnend mit dem 15. Mai 1988) aus Afghanistan abzuziehen.

Die Genfer Abkommen stellten im Prinzip ein Geschäft dar, bei dem die UdSSR
ihre Truppen aus Afghanistan abziehen mußte, während die USA und Pakistan
sich zum Verzicht auf die Unterstützung oder auch nur Duldung der Operationen 
der Mudjahedin verpflichteten. Letztlich bedeutete diese Regelung,
das der Afghanistan-Krieg seiner wichtigsten internationalen Aspekte entkleidet 
werden sollte: der Krieg würde zwar zunächst weitergehen, aber nur noch zwischen 
der Regierung in Kabul und ihren innenpolitischen Gegnern.

Die Grundzüge dieses Abkommens Standen allerdings nur auf dem Papier.
Bereits kurz vor der Unterzeichnung der Abkommen hatte der damalige
Militärdiktator Pakistans, General Zia U1-Haq, öffentlich erklärt, die Mudjahedin
weiter zu unterstützen. Und USA-Außenminister George Shultz erklärte anläßlich 
der Vertragsunterzeichnung, daß es im Einklang mit unseren Verpflichtungen als 
Garantie macht unser Recht ist, dem Widerstand militärische Hilfe zukommen zu lassen.

Die von den USA garantierten Abkommen sahen allerdings genau das 
Gegenteil vor.
Hintergrund dieser Stellungnahmen war eine informelle Übereinstimmung
zwischen den USA und der Sowjetunion, daß die Sowjetunion (vertragswidrige)
Amerikanische - Pakistanische Lieferungen an die Mudjahedin solange
Akzeptieren würde, wie sie selbst die Regierung in Kabul (vertraglich erlaubt)
Militärisch versorgte. Damit hatte die UdSSR informell einem Bruch der Genfer
Abkommen durch die Vertragspartner zugestimmt. Inhaltlich wurde damit einer
der beiden Hauptpunkte des Vertragswerkes beseitigt, das einzige Amerikanische 
Zugeständnis an die Sowjetunion im Vertrag mußte nicht umgesetzt werden.

Die Genfer Abkommen stellten vor diesem Hintergrund keine Regelung mit
gegenseitigen Geben und Nehmen dar, keinen Vertrag zwischen gleichen 
Partnern, sondern eine mildere Form der Kapitulation, mit Gesichtswahrung für 
die Sowjetunion. Es ging der Sowjetunion aus außen- und innenpolitischen, aus 
wirtschaftlichen und militärischen Gründen darum, sich möglichst schnell und um 
fast jeden Preis aus Afghanistan zurückzuziehen. Das Genfer Vertragswerk 
bildete für diesen eigentlich einseitigen Wunsch nur den multilateral-politischen 
Rahmen. 
Der Vorteil für die Sowjetunion war ausschließlich politisch, der Vertrag diente 
ihr nur zur Vermeidung einer überstürzten und nach Kapitulation aussehenden 
Räumung. Materiell erhielt die Sowjetunion nichts.

Die Reagan-Administration hielt die Genfer Abkommen entsprechend für eine
(Sieg), für die Manifestierung der (erfolgreichsten CIA-Operation in der Geschichte ). 
Diese Bewertung stützte sich auf die Annahme, daß die Regierung in Kabul nach 
dem Abzug der sowjetischen Truppen in wenigen Wochen, maximal in drei Monaten 
zusammenbrechen würde und dann die Kräfte die Macht übernehmen würden, die 
man jahrelang mit großem Aufwand ( bis zu 700 Mill. $ in einem Jahr, nämlich 1987) 
militärisch unterstützt hatte. 

Genau das trat nicht ein. Die große Generaloffensive der Mudjahedin gegen die
Provinzhauptstadt Jalalabad im Frühjahr 1989 - die zum Auftakt der Eroberung 
Kabuls werden sollte - geriet zu einer Niederlage von strategischer Bedeutung.
Nach diesem Wendepunkt, bei dem sich die afghanische Regierung ohne sowjetische 
Truppenunterstützung gegen die siegesgewissen Mudjahedin sehr erfolgreich selbst 
verteidigte, schwanden die Aussichten der bewaffneten Opposition auf einen 
militärischen Sieg immer mehr. Die US-Administration benötigte allerdings noch Über 
ein Jahr, um diese Tatsache zur Kenntnis zu nehmen. Erst im Umfeld der Golfkrise 
( seit Sommer 1990) paßte sich die Bush- Administration den Realitäten an und 
näherte sich einigen sowjetischen Positionen. Die wegen der Krise- und dem im 
Januar 1991 begonnenen krieg - veränderten außenpolitischen Prioritäten sowie eine 
Reihe schwieriger praktischer Fragen führten dann dazu, daß trotz nun weitgehender 
praktischer Übereinstimmungen beider Mächte keine endgültige Regelung getroffen 
wurde. 
Vier Faktoren hatten dazu beigetragen, daß nun auch die USA Prinzipiell einer 
Politischen Lösung zustimmten, nachdem sie bis in die ersten Jahreshälfte 1990 
immer noch auf einen militärischen Sieg ihrer Verbündeten irregulären Kräfte hofften:
1. der Politisch Erfolg der Genfer Abkommen und
2. das veränderte internationale Klima bildeten den allgemein-politischen
Hintergrund, der aber allein noch nicht ausgereicht hätte. Dazu kamen
3. die militärische Niederlage und politische Schwäche der Mudjahedin, 
insbesondere der von den USA unterstützten Siebenerallianz im Pakistanischen
Peshawar und
4. die Notwendigkeit, mit der Sowjetunion angesichts der Golfkrise gute 
Beziehungen aufrechtzuerhalten und ihr deshalb in Afghanistan entgegenzukommen.

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